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Kreislauf
Ich bin mir sicher, fast jeder hat den Begriff «Schaufensterkrankheit» irgendwann schon einmal gehört. Doch worum handelt es sich wirklich? Es sei vorausgeschickt, dass die Krankheit nicht in erster Linie Damen befällt, die in der Stadt zum «Lädelä» gehen...! Aber der Patient, der an «Schaufensterkrankheit» leidet, ist in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt. Nach einer gewissen Gehstrecke kommt es - typischerweise in der Wade - zu krampfartigen Beinschmerzen, die den Betroffenen zum Anhalten zwingen. Nach einer kurzen Erholungsphase von zwei bis drei Minuten ist das schmerzfreie Weitergehen wieder möglich, ehe nach einer gewissen Distanz die gleichen Beschwerden wieder kommen. Der in der Stadt sich befindende Patient mit diesen belastungsabhängigen Beinschmerzen - im medizinischen Jargon als «Claudicatio intermittens» bezeichnet - hält bei Auftreten des Schmerzes vor dem Schaufenster eines Ladens an, um seinen Beinschmerz zu vertuschen und sich zu erholen, bis er weitergehen kann. Einige hundert Meter weiter muss er vor dem nächsten Schaufenster wieder anhalten.
Bei der Erkrankung handelt es sich um eine Durchblutungsstörung der Beine. Die Arterien, die das Blut vom Herzen pulsartig in die Beine bringen, sind verkalkt. Durch Verdickung der Arterienwand kommt es zu Verengungen oder mit der Zeit gar zu Verschlüssen, die den Blutstrom beeinträchtigen. Dadurch ist die Bein- und vor allem die Wadenmuskulatur unter Belastung beim Gehen, wenn der Sauerstoffbedarf der Muskeln grösser wird, ungenügend durchblutet und ungenügend mit Sauerstoff versorgt und es kommt zum Schmerz. Der Schmerz tritt rascher beim schnellen Gehen oder beim Aufwärtsgehen auf.
Die genauen Mechanismen, die zur Arterienverkalkung führen, sind noch nicht ganz bekannt. Doch kennt man eindeutige Risikofaktoren die, wenn sie lange genug bestehen, die Erkrankung begünstigen. Diese sind das Rauchen, das hohe Blutcholesterin, der hohe Blutdruck und die Zuckerkrankheit. Kommen mehrere dieser Faktoren zusammen, erhöht sich das Risiko, an Arterienverkalkung zu erkranken. Auch mit zunehmendem Alter nimmt die Erkrankung eindeutig zu.
Der konsultierte Arzt wird die Diagnose, oder zumindest die Verdachtsdiagnose durch die klinische Untersuchung stellen. Der beigezogene Gefässspezialist (Angiologe) wird mit Hilfe moderner Apparate die Diagnose bestätigen, den Schweregrad der Erkrankung ermitteln und die Verengungen oder Verstopfungen in den Arterien, die für die «Schaufensterkrankheit» verantwortlich sind, lokalisieren. Zur Untersuchung benützt der Angiologe in erster Linie Ultraschallgeräte, die das schmerzlose Sichtbarmachen der Gefässe und der Blutsäule, also auch der Verengungen und Verschlüsse ermöglichen. Nur noch selten ist es notwendig, die teuren, belastenden und zeitaufwendigen Röntgen-Kontrastmittel-Darstellungen durchzuführen.
Verengungen oder die kurze Verschlüsse der Arterien werden heute meistens mittels Ballon-Sonde aufgedehnt bzw. «rekanalisiert». Anlässlich einer Kurzhospitalisation wird die Ballon-Sonde über die mittels einer Spritze unempfindlich gemachte Leiste eingeführt und unter Röntgenkontrolle an die zu behandelnde Stelle in der Arterie vorgeschoben. Die Verengung (oder der Verschluss) wird dann durch Aufblasen des Ballons von aussen, aufgeweitet. Manchmal wird, je nach Situation, zusätzlich auf gleichem Wege ein Zylinder aus Maschendraht (Stent) in die Verengung eingeführt. Dieser dehnt sich im Gefäss auf und hält es durchgängig. Wenn das Erweitern mit dem Ballon oder mit dem Stent nicht möglich ist, muss, zum Beispiel bei langstreckigen Verschlüssen, manchmal eine oft anspruchsvolle Gefässoperation durchgeführt werden. Der Gefässchirurg setzt dem Patienten körpereigene Venen oder Kunststoffgefässe ein, um den arteriellen Verschluss zu überbrücken (Bypass). Dies bedingt selbstverständlich eine Narkose und einen acht- bis zehntägigen Spitalaufenthalt. Dank dieser modernen Technologie in Abklärung und Behandlung der «Schaufensterkrankheit» kann die gefürchtete Komplikation des «Fussbrands» mit Amputationsgefahr meistens verhindert werden. Aber die Patienten müssen auch selber einiges beitragen: Nur mit Änderung der Lebensweise - Rauchstop, fett- und zuckerarm essen, Blutdruckkontrolle, viel Bewegung (Gehtraining!) - kann die Erkrankung aufgehalten werden. Ein Wundermittel gibt es nämlich nicht. Auch der Blutplättchenhemmer Aspirin und ähnliche Medikamente können eine Aenderung der Lebensweise nicht ersetzen.
Dr. med. Rémy Eichlisberger Facharzt Angiologie FMH, Venenzentrum Arlesheim |
Venenkrankheiten sind in der abendländischen Welt weit verbreitet und führen häufig zu Arztkonsultationen. Sucht man in der Sprechstunde gezielt nach Krampfadern, so scheint ein gesundes Bein beinahe die Ausnahme zu sein.
Gestützt wird dieser Eindruck durch mehrere Untersuchungen, die bei 50-60% der über 30 jährigen ein Venenleiden aufzeigen. Bis zu 5% der Patienten beklagen störende Schmerzen, Schwellungsneigung und Hautveränderungen. Bis zu 1,5% leiden gar an einem offenen Bein. Bestimmte Einflüsse scheinen für die Zunahme der Venenleiden verantwortlich zu sein. Am wichtigsten ist das zunehmende Alter der Bevölkerung. Im Alter von 70 Jahren haben etwa 70% der Männer und der Frauen Krampfadern in irgend einer Form, bei unter 25jährigen sind «nur» 20% betroffen. Vererbung, Uebergewicht, Schwangerschaften, sitzende Lebensweise, Sonnenbäder und regelmässiger Saunabesuch sind weitere Risikofaktoren für Venenerkrankungen.
Entgegen der gängigen Meinung lässt sich kein Geschlechtsunterschied feststellen. Obgleich bei Frauen die kleinsten Krampfadern, die sog. «Besenreiser» etwas häufiger sind, leiden Mann und Frau im selben Mass an Venenleiden. Frauen besuchen deshalb aber bis zu 9x häufiger den Arzt. Offenbar hat für sie (oder für ihren Mann?) ein schönes Bein eine grössere Bedeutung. Rauchen und die Einnahme der Anti-Baby-Pille scheinen keinen Einfluss auf das Auftreten von Varizen zu haben. Das Risiko für eine gefährliche Venenthrombose ist unter dieser Kombination jedoch erhöht.
Das grosse Bedürfnis nach einer Behandlung der Venenleiden ist leicht verständlich. Bereits die Aerzte der Antike berichteten über ihre mehr oder minder erfolgreichen Strategien gegen die - allerdings oft als Krebsgeschwüre oder andersartig falsch interpretierten - Varizen. Noch bis in das letzte Jahrhundert beschränkte sich die therapeutische Palette auf diätetische Massnahmen, Umschläge und Waschungen aller Art. Verbreitet waren auch das Schröpfen und der Blutegel. Erst Ende des 19. Jahrhunderts begannen sich die heutigen Therapieformen - die Operation und die Verödung - zu entwickeln.
Heute stehen verschiedene ausgefeilte Therapieverfahren zur Verfügung, die bei den verschiedenen Krampfadernformen gezielt eingesetzt werden können. Vor jeder Venenbehandlung steht deshalb eine differenzierte Untersuchung. Neben einer sorgfältigen klinischen Beurteilung geschieht dies mehrheitlich mit Ultraschallmethoden, seltener mittels Röntgenbildern. Grössere Krampfadern, sog. Stamm- und Astvarizen, bilden die Domäne der Chirurgie. Sind die Varizen nicht zu ausgedehnt, ist in vielen Fällen heute sogar eine ambulante Operation mit örtlicher Betäubung möglich. Diese meist einfachen, kurzen Eingriffe mit minimaler Narbenbildung, vorallem aber das Fehlen von Spitalaufenthalten und Arbeitsunfähigkeit, werden sowohl von den Patienten wie zunehmend auch von den Krankenkassen geschätzt.
Gelegentlich müssen aber auch heute noch ausgedehntere Krampfadern mit der klassischen Operation im Spital behandelt werden. Kleinere Krampfadern bis hin zu den sog. Besenreiservarizen sind meist mehr ein ästhetisches Aergernis. Hier bietet sich die Verödungstechnik an. Dabei wird mit einer speziellen Spritze eine alkoholische Lösung in die Venen gespritzt. Diese werden dabei «verlötet». Es folgt eine Kompressionsphase von wenigen Tagen. In dieser Zeit müssen Gummistrümpfe getragen werden. Oft sind mehrere Sitzungen nötig, doch mit etwas Geduld sind die Resultate meist hervorragend.
In jüngster Zeit hat die Lasertechnik in der Venentherapie Einzug gehalten. Mit diesen hochspezialisierten Geräten lassen sich auch feinste Aederchen unblutig und ohne Kompression entfernen. In den meisten Fällen ergibt aber erst die Kombination aller Methoden ein optimales Resultat. Die unzähligen, oft teuer in der Drogerie oder Apotheke eingekauften Venenmedikamente, - Gel′s und Salben wirken bestenfalls lindernd. Bereits deutlich sichtbare Krampfadern können damit nicht zurückgebildet werden. Eine ärztliche Beurteilung ist dann sinnvoll.
Wo weder Operation noch Verödung möglich sind, etwa bei Erkrankungen der inneren Venen nach tiefen Thrombosen, bleibt aber der «Gummistrumpf» oft die einzige therapeutische Möglichkeit. Venenpatienten sind somit oft auch Dauerpatienten. Um ein Venenleiden über Jahre in Schach zu halten, bedarf es geduldiger Anstrengungen von Patient/in und Arzt. Gemessen an den möglichen Folgen, z.B. «offenen Beinen» lohnt sich diese Mühe sowohl medizinisch als auch finanziell zweifellos.
Dr. med. M. Troxler Facharzt für Innere Medizin, 4144 Arlesheim |
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