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Kinder und Jugendliche
Zur Aufmerksamkeitsdefizit- (und/oder) Hyperaktivitätsstörung und ihrer Diagnose Die Geschichten des Zappelphillipp, des Hans-Guck-in-die-Luft und des Struwwelpeter aus dem vorletzten Jahrhundert belegen, dass es sie schon immer gab: die Kinder und Erwachsenen mit Konzentrationsschwäche, mangelhafter Ausdauer, Ablenkbarkeit, motorischer Unruhe (=Hyperaktivität), Impuls- und Affektsteuerungsschwäche (=Impulsivität), Desorganisation und emotionalen Schwankungen. Dies sind nur einige der möglichen Zeichen eines umschriebenen Andersseins, um die Begriffe der Krankheit und der Störung zu meiden. In den vergangenen Jahren wurde ihm zunehmende Aufmerksamkeit aus medizinischen und paramedizinischen Fachkreisen und aus der Öffentlichkeit geschenkt.
Dieses Anderssein ist zunächst eine Frage der Definition. Internationale Klassifikationssysteme wie die in Europa zur Anwendung kommende International Classification of Diseases (ICD) und das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association orientieren sich beschreibend am Vorhandensein oder Fehlen von Krankheitszeichen und deren Ausprägung und nicht an den Ursachen einer Störung.
Beschreibende Einschluss- und Ausschlusskriterien vermögen hirnorganisch und psychogen bedingte Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität nicht zu trennen. Ein Grossteil der Fachwelt stimmt darin überein, dass der Aufmerksamkeitsdefizitstörung ADS im engeren Sinne eine unregelmässige Reifung verschiederer Hirnareale zugrunde liegt und sie damit hirnorganisch bedingt ist. Die familiäre Häufung des Leidens legt eine erbliche Veranlagung dazu nahe. Man findet in diesen Fällen diskrete neurologische Auffälligkeiten in der grob- und feinmotorischen Steuerung und dem Gleichgewicht, sowie in den verschiedenen Wahrnehmungsmodalitäten. Dieser Aspekt wurde durch den früheren Begriff für die ADS hervorgehoben, der in der Schweiz immer noch gebräuchlich ist: dem sogenannten frühkindlichen psychoorganischen Syndrom (POS). Die Eidgenössische Invalidenversicherung fordert für die Anerkennung des Geburtsgebrechens 404 vor dem 9. Geburtstag die Beeinträchtigung der Gefühlsregulierung oder der Kontaktfähigkeit, des Antriebes, des Erfassens, der Konzentrationsfähigkeit und der Merkfähigkeit bei normaler Intelligenz.
Aufgrund des beschreibenden Charakters der Einteilungskriterien können Zeichen der Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit als ADS interpretiert werden, obwohl sie in einzelnen Individuen eher Ausdruck einer anderen Krankheit darstellen. So muss beispielsweise das Rückzugsverhalten oder die maniforme Abwehr einer kindlichen Depression bei emotionaler Vernachlässigung sowie eine kindliche Psychose erwogen und abgegrenzt werden. Umgekehrt kann die Diagnose einer hirnorganisch bedingten ADS bei nicht angemessener Zuordnung der Symptome verpasst werden. Erschwerend kommt hinzu, dass ADS-Betroffene in unterschiedlichem Grad durch eine Selbstwertproblematik auf ihr Anderssein reagieren und zu sogenannten reaktiven Störungen neigen. Daneben besteht die Möglichkeit des Auftretens mehrerer Krankheiten gleichzeitig, insbesondere der Kombination von ADS und Depression. Zahlreiche Überschneidungen können zu Mischbildern führen.
Im Hinblick auf eine differenzierte Einschätzung möglicher Entwicklungen und den gezielten Einsatz der Therapiemöglichkeiten ist es wichtig, eine primär hirnorganisch bedingte von einer primär psychogen bedingten Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit zu unterscheiden. Dies gelingt nur durch eine sorgfältige neuromotorisch-neuropsychologische, testpsychologische und psychiatrische Abklärung, bei der die Prüfung der Grob- und Feinmotorik, des Gleichgewichtes, der Wahrnehmungsfunktionen, der Begabung, der psychischen Funktionen, der intrapsychischen und interpersonellen Konflikte sowie der bevorzugten Abwehrformen erfolgt. Es ist ratsam, sich bei entsprechender Fragestellung an eine damit vertraute Fachperson zu wenden.
Literaturempfehlungen Kinder- Döpfner M; Fröhlich J, Lehmkuhl, G (2000): Ratgeber Hyperkinetische Störungen. Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher. Hogrefe
- Döpfner M, Schürmann S, Frölich J: Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten. Beltz Psychologie Verlags Union (2002)
- Laut GW, Schlottke PF: Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern. Beltz Psychologie Verlags Union (1999)
- Ruf-Bächtiger L (1995): Das frühkindliche psychoorganische Syndrom. Thieme
Erwachsene - Ryffel-Rawak D (2001): ADS bei Erwachsenen: Betroffene berichten aus ihrem Leben. Verlag Hans Huber, Bern
- Hallowell E M & Ratey J J (1999). Zwangshaft zerstreut.
- ADD - Die Unfähigkeit, aufmerksam zu sein. Taschenbuchausgabe. Rowolt, Reinbeck
- Solden S (1999) Die Chaos-Prinzessin, BvdH, Forchheim
Internetseiten www.ag-adhs.de www.psychologie-online.ch/add/ www.hyperaktiv.de/ www.elpos.ch
Selbsthilfegruppe Elpos Nordwestschweiz, Postfach, CH-4003 Basel
Dr. R. Möller-Schneider, Facharzt FMH für Kinder und Jugendliche, Pratteln Email: rmoeller@datacomm.ch
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mit Aufmerksamkeitsdefizit- (und/oder) Hyperaktivitätsstörung Eine Schlüsselrolle bei der Behandlung von Kindern mit ADS fällt den Bezugspersonen, den Eltern, Geschwistern und den Lehrkräften zu. Ihnen obliegt die zentrale Aufgabe, das betroffene Kind trotz allen Schwierigkeiten emotional in seinem Selbstwertgefühl zu stützen, es zu tragen und auszuhalten. Die Bezugspersonen erfahren täglich, dass Kinder mit ADS eine verlässliche, stabile und kontinuierliche pädagogische Strukturierung des Alltags positiv für ihre Entwicklung nutzen können. In Anbetracht aufkommender Verzweiflung, Wut, Trauer und Erschöpfung brauchen die Bezugspersonen selber die Unterstützung der ganzen Gesellschaft.
Die Empfehlung eine der Therapiemodalitäten, Fördermassnahmen und der medikamentösen Behandlung der ADS stützt sich auf eine sorgfältige Abklärung des Entwicklungsprofils, der Ressourcen und der Defizite jedes einzelnen Betroffenen und seines sozialen Umfeldes. In Abhängigkeit von den Ergebnissen kommen Heilpädagogische Früherziehung, Physiotherapie, Psychomotorik, Ergotherapie, Sensorische Integration, Logopädie, Legasthenie- , Dyskalkulie-Unterricht und Psychotherapie in Frage.
Eine in der Öffentlichkeit zunehmend diskutierte Position bei der Behandlung der hirnfunktionell bedingten ADS nimmt die Psychopharmakotherapie ein, insbesondere die Behandlung mit Stimulanzien. Das hierzulande bekannteste Stimulans ist das Ritalin, welches seit 50 Jahren im Handel ist. Es wird mit dem Ziel eingesetzt, die Konzentration und Aufmerksamkeit, die Ausdauer und die beeinträchtigten Wahrnehmungsfunktionen zu verbessern. Durch Stimulation regulierender Hirnareale kommt es vielfach zur Abnahme der Impuls- und Affektsteuerungsschwäche mit Abnahme der Hyperaktivität und Aggressivität. Nebenwirkungen sind vorübergehend und bestehen in der Abnahme des Appetits, in Einschlaf- und Durchschlafstörungen mit Angstträumen sowie in der Verstärkung vorbestehender Tics. Bei Überdosierung kann es zu depressiven Veränderungen kommen. Bei Langzeitbehandlungen sind Verlangsamungen des Wachstums beschrieben worden, wobei hierin nicht alle Studien übereinstimmen und widersprüchliche Angaben gemacht werden. Jedenfalls macht die Längeneinbusse nicht mehr als 1-2 cm aus und ist nach Absetzen des Medikamentes vor Wachstumsabschluss reversibel.
Die langjährigen Erfahrungen zeigen, dass bis ¾ der behandelten Kinder (in Abhängigkeit ihrer Auswahl und einer individuellen Anpassung der Dosierung) gut auf die Behandlung ansprechen.
Es ist verfehlt, das Medikament allen Kindern mit Lernschwierigkeiten zu verabreichen, weil sich unter ihnen viele hirngesunde Kinder befinden, bei denen ein Stimulans kontraindiziert ist. Es ist allerdings ebenso verfehlt, die Gabe von Stimulantien bei ausgewählten Individuen aus grundsätzlich abzulehnen, weil Ihnen dadurch eine Chance vorenthalten wird, das Medikament positiv für ihre Entwicklung, ihre soziale Integration und ihre schulische und berufliche Entfaltung zu nutzen. Die Wirkung wird anhand einer einschleichenden mehrwöchigen Dosisfindungsphase bei jedem Betroffenen überprüft. Fällt die Bilanz des Wirkungs-/Nebenwirkungsprofils zugunsten der Gabe aus, dann kann man sich zur Behandlung während vorerst 6-12 Monaten entschliessen. Bei ungünstiger Bilanz wird das Medikament wieder abgesetzt.
Es ist bekannt, dass Kinder und Jugendliche mit ADS bezüglich der Entwicklung einer Suchtmittelabhängigkeit stärker gefährdet sind als andere. Man geht davon aus, dass dies mit Selbstmedikationsversuchen zusammenhängt. Innerhalb der ADS-Gruppe haben sich in Bezug auf die Suchtmittelgefährdung keine Unterschiede zwischen den mit Stimulantien behandelten und unbehandelten Betroffenen ergeben. Neuere Studien weisen darauf hin, dass die behandelten seltener zu Suchtmitteln greifen als die unbehandelten und sich ihr Risiko, eine Suchtmittelabhängigkeit zu entwickeln, unter der Behandlung mit Stimulantien demjenigen der Individuen ohne ADS angleicht.
Dr. R. Möller-Schneider, Facharzt FMH für Kinder und Jugendliche, Pratteln Email: rmoeller@datacomm.ch |
Einen der häufigsten Gründe, den Notfallarzt am Wochenende aufzusuchen, stellt bei Kindern die Beurteilung eines fieberhaften Zustandes dar. Ich versuche mit diesem Artikel, den Eltern gewisse Richtlinien zu vermitteln, was im Rahmen einer ersten Hilfe selbst getan werden kann und wann der Arzt konsultiert werden sollte.
Zunächst ein paar allgemeine Bemerkungen zum Fieber. Bei Säuglingen und Kleinkinder spricht man von Fieber bei einer Temperatur von über 38°C, bei Schulkindern bei einer Temperatur von über 37,5°C, beide Temperaturen im After gemessen. In den meisten Fällen ist die Ursache von Fieber eine Infektion mit einem Virus oder einem Bakterium. Es resultiert z.B. ein Schnupfen, eine Entzündung der Bronchien (Bronchitis), eine Angina oder eine Lungenentzündung. Diese Erreger aktivieren als Eindringlinge das Abwehrsystem, was Wärme und somit Fieber erzeugt.
In der Situation, in der ein Kind beginnt, Fieber zu entwickeln, empfiehlt es sich, Ruhe zu bewahren und auf Veränderungen von Symptomen sowie des Fiebers zu achten. Das Kind braucht mehr Zuwendung als sonst; man muss sich für die Krankheit des Kindes Zeit nehmen. Das Kind sollte möglichst ruhen, um die Körpertemperatur nicht noch mehr in die Höhe zu treiben. Am wichtigsten ist beim fieberhaften Zustand die vermehrte Flüssigkeitszufuhr, da der Flüssigkeitsbedarf mit steigender Körpertemperatur zunimmt. Je jünger ein Kind ist, desto labiler ist der Wasserhaushalt, d.h., desto schneller droht eine Austrocknung. Dies sollte unbedingt durch Zugabe von genügend Flüssigkeit vermieden werden.
Es stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt man mit der Fiebersenkung beginnen sollte und ob überhaupt gesenkt werden muss. Eine erhöhte Körpertemperatur unterstützt die Abwehr eines Eindringlings. Das Fieber sollte erst gesenkt werden, wenn der Allgemeinzustand schlechter wird und man merkt, dass das Kind unter dem Fieber zu leiden beginnt. Wenn das Kind trotz Fieber aktiv spielt, sich für die Umgebung interessiert und ordentlich trinkt, kann mit der Senkung des Fiebers zugewartet werden.
Fiebersenken kann man einerseits mit natürlichen Mitteln, andererseits mit Medikamenten. Beide Methoden sind effektiv und können auch parallel angewendet werden. Eine bewährte natürliche Fiebersenkung stellt das temperaturabsteigende Bad dar: es beginnt mit einem Bad, welches ungefähr die aktuelle Körpertemperatur des Kindes hat und fügt dann allmählich kaltes Wasser hinzu, so dass sich die Temperatur des Badewassers um einige Grade senkt. Das Bad soll nicht länger als eine 1/4 Stunde dauern und das Kind soll nicht frieren. Dies kann 3-4 mal täglich durchgeführt werden.
Die Fiebersenkung mit Medikamenten darf problemlos durch ein Fieberzäpfchen, das den Wirkstoff Paracetamol enthält (Markennamen: Panadol, Tylenol, Dafalgan u.a.), durch die Eltern ohne Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.
Folgende Situationen sollten ärztlich beurteilt werden:- Ein rascher Temperaturanstieg innert ca. 30 min. auf hohe Temperaturen (>39,5°C)
- Hochbleibende Temperaturen trotz versuchter Fiebersenkung
- Keine Besserung eines schlechten Allgemeinzustandes trotz Flüssigkeitszufuhr und Fiebersenkung
- Bei Fieber mit vorwiegendem Halsschmerz muss eine Scharlachangina ärztlich ausgeschlossen werden, die mit Antibiotika behandelt werden müsste
- Fieber mit Ohrenschmerzen sollte zum Ausschluss einer Mittelohrentzündung auch dem Arzt gezeigt werden.
Bei den beiden letzten Situationen kann bei Krankheitsbeginn in der Nacht bis zum nächsten Morgen zugewartet werden. Im Notfall kann ein Schmerzzäpfchen gegeben werden. In vielen Fällen ist Fieber mit Husten und Schnupfen verbunden. Es handelt sich dabei meist um eine Erkältung und es können vorerst «Hausmittel» angewendet werden, ein Arztbesuch ist hier oft nicht nötig. - Hohes Fieber mit Husten und schlechtem Allgemeinzustand muss wegen einer möglichen Lungenentzündung dem Arzt innert Tagesfrist gezeigt werden.
Dr. med. H.P. Gysin FMH Allgemeine Medizin, 4450 Sissach
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Mittelohrentzündungen sind bei Kleinkindern sehr verbreitet. Man schätzt, dass innerhalb der ersten 6 Lebensjahre mehr als ¾ aller Kinder eine solche Infektion oder sogar mehrere erleiden. Normalerweise werden diese durch eine Erkältung oder durch Halsweh ausgelöst. Es kommt dadurch zustande, dass die eustachische Röhre blockiert ist. Normalerweise verbindet diese Röhre das Mittelohr mit dem Rachenraum und belüftet das Mittelohr. Durch die Belüftung wird der Druck auf beiden Seiten des Trommelfells ausgeglichen. Bei der Entzündung verengt bzw. verschliesst sich diese Verbindung und es entsteht Flüssigkeit im Mittelohr, welche nicht ablaufen kann und sich deshalb häufig infiziert. Dies ist sehr schmerzhaft für die betroffenen Kinder. Als Selbstheilung des Körpers muss das Durchbrechen des Trommelfells angesehen werden, der Eiter fliesst nach aussen. Normalerweise heilt eine solche sog. Trommelfellperforation ohne weiteres ab.
Lange glaubte man in Ärztekreisen, eine solche Entzündung brauche immer den Einsatz von Antibiotika. In den letzten Jahren haben aber Studien wiederholt gezeigt, dass Antibiotika nur einigen wenigen Kindern helfen, indem sie am zweiten und dritten Tag etwas weniger Schmerzen haben. Ähnliches gilt auch für die Ausbreitung der Infektion auf die gegenüberliegende Seite. Es besteht aufgrund dieser Untersuchungen kein Vorbeugeeffekt für wiederholte Infektionen oder für das Auftreten von chronischen Mittelohrergüssen. Wichtig ist die Schmerzlinderung durch Paracetamol (Panadol, Dafalgan, Ben-U-ron, Tylenol u.a.) oder noch besser durch Mefenaminsäure (Ponstan, Mefenacid). Antibiotika bringt keine Schmerz-linderung!
Der Einsatz von Antibiotika drängt sich vor allem dann auf, wenn es zu einer Perforation des Trommelfells und eitrigem Ausfluss, einer beidseitigen Entzündung sowie weiteren Komplikationen kommt. Oder wenn sich solche aufgrund des Krankheitsverlaufs ankündigen. Wenn in diesen Fällen nicht gehandelt wird, können chronische Entzündungen oder Hörverluste die Folge sein. Deshalb sollte bei Mittelohrentzündungen in jedem Fall der Arzt konsultiert werden!
Erfahrungsgemäss können ¾ der Mittelohrentzündungen nur mit konsequenter Schmerztherapie sowie mit Nasentropfen, welche die eustachische Röhre abschwellen lassen und so die Belüftung erleichtern, behandelt werden.
Allerdings gibt es auch eine Möglichkeiten, präventiv auf die Anfälligkeit für Mittelohrentzündungen Einfluss zu nehmen: durch das Kauen von Kaugummi, der mit dem Zuckerersatz Xylit gesüsst ist. Die präventive Wirkung ist dabei doppelt: einerseits wird durch die Kaubewegung die eustachische Röhre bewegt und so besser belüftet, andererseits besitzt Xylit antibakterielle Eigenschaften und wirkt dadurch Entzündungen vom Rachenraum her direkt entgegen. Untersuchungen haben gezeigt, dass dadurch das Risiko einer Mittelohrentzündung um ca. 40% reduziert werden kann.
Somit darf bei einer oder auch bei wiederholt auftretenden Mittelohrent-zündungen häufig auf Antibiotika verzichtet werden. Ein weiterer Trost ist sicherlich, dass Mittelohrent-zündungen sich meist auswachsen.
Dr. med. Stephan Gerosa FMH Innere Medizin, 4448 Läufelfingen |
Wer kennt sie nicht, die durchwachten Nächte, in denen Kinder unaufhörlich schreien... Gefühle der Verzweiflung, Wut und Ohnmacht durchströmen die Beteiligten. Wie nahe liegt es dann, so zu reagieren, wie man mit «etwas» umgeht, das nicht funktioniert: man schüttelt es. Bei einem Säugling kann dies durch Blutungen im Kopf zu bleibenden Schäden und Tod führen. Hier liegt die Tragik der hartgeprüften Familie Loretan und vieler anderer vor ihr. Wie können Eltern sich und ihr Kind schützen?
Es gibt keine Patentrezepte, nur Anregungen. Es ist ratsam, das Schreien immer als Botschaft mit Bedeutung wahrzunehmen - mit der Schwierigkeit, dass sich das Kind der Sprache noch nicht bedienen kann. Offensichtlich ist das Schreien ein Signal des Unbehagens und der Bedürftigkeit. Es stellt hohe Anforderungen an die Eltern, es richtig zu deuten. Es kann sie an den Rand der Kräfte bringen und die Paarbeziehung stark belasten. Die Grenze zur Überforderung sollte von ihnen rechtzeitig erkannt werden.
Massnahmen richten sich nach den vielfältigen Ursachen des Schreiens. Selbstverständlich müssen die Grundbedürfnisse des Kindes befriedigt sein. Muttermilch ist die optimalste Säuglingsernährung. Stillenden Müttern kann es besonders im zweiten Lebenshalbjahr ihrer Kinder entgehen, dass die Milch gegen Abend knapp wird. Gewichtskontrollen geben darüber Aufschluss. Häufigeres Ansetzen und die Einführung der Beikost können Abhilfe schaffen. Die Umgebung sollte rauchfrei und reizarm sein. Die Raumtemperatur sollte nicht über 21° liegen, der optimale Lärm- und Lichtpegel sind individuell auszuprobieren. Es bewährt sich, an einem geregelten Tagesablauf zu arbeiten, auf regelmässige Mahlzeiten zu achten und abendliche Rituale einzuhalten. Ein abendliches Bad, eine Babymassage oder ein Spaziergang können ebenso beruhigend wirken wie eine wärmende Bettflasche. Rituale vermitteln dem Kind das Gefühl der Sicherheit und helfen ihm, seine Ängste zu regulieren.
Jedes Kind braucht körperliche und emotionale Zuwendung. Es sehnt sich nach Körperkontakt, Gehaltenwerden und Geborgenheit. Es braucht das menschliche Gegenüber für den Austausch seiner Gefühle. Die Eltern helfen ihm bei deren «Verdauung». In den ersten Lebensmonaten kann das Kind kaum verwöhnt werden.
Später kann das Schreien allmählich manipulativen Charakter erhalten und vom Wunsch motiviert sein, in der Nacht zu spielen anstatt zu schlafen. Das Schreien hört sich dann eher als Protest an. Wenn dies mit dem Lebensrhythmus der Eltern nicht vereinbar ist, kann es sinnvoll sein, das Kind allein im Bett weinen zu lassen und es alle 5-10 Minuten der elterlichen Nähe durch ein kurzes Erscheinen und einige beruhigende Worte zu versichern. Viele Kinder lernen so in kurzer Zeit den elterlichen Willen und ihre Intimsphäre respektieren.
Bei der Befriedigung kindlicher Bedürfnisse brauchen Eltern Engelsgeduld und Nerven wie Drahtseile. Wo sind sie selbst geblieben? Ihr Raum beginnt nicht erst am Rand ihrer Kräfte. Sie sollten sich Zeit für ihren Ausgleich nehmen. Das Kind nimmt seinerseits sehr früh (es gibt Hinweise darauf, dass dies schon vor der Geburt geschieht) Gefühle der Eltern auf, darunter auch Spannungen und Sorgen. Geht es den Eltern gut, dann ist eine wichtige Voraussetzung dafür gegeben, dass es den Kindern gut gehen kann. Die Verantwortung dafür, an schwierigen Gefühlen zu arbeiten, liegt bei den Erwachsenen. Eine Mutter hat einmal zu mir gesagt: «Ich dachte immer, wenn es den Kindern gut geht, dann geht es mir auch gut. Doch heute (nach der Krise) weiss ich, dass es umgekehrt ist».
Die Ausführungen setzen voraus, dass das Kind körperlich gesund ist. Einfachere Gesundheitsprobleme lassen sich evtl. ohne fremde Hilfe lösen. Komplexere sind vielfältig und bedürfen der Abklärung durch den Kinderarzt oder Hausarzt.
Schütteln Sie ihr Kind nicht in der Akutsituation, sondern legen Sie es ins Bettchen, schliessen Sie die Tür und holen Sie sich Hilfe bei Grosseltern, Freunden, Nachbarn oder den öffentlichen Institutionen (Eltern-Notruf, Kinderspital). Eine vorübergehende Unterbringung an einem anderen Ort ist eine gute Lösung verantwortungsvoller Eltern und ist dem Schütteln auf jeden Fall vorzuziehen.
Dr. R. Möller-Schneider, Kinderarzt, Pratteln |
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